1000-Punkte-Regel für den Gefahrgut-Transport auf der Straße
Letzte Aktualisierung am: 4. September 2024
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Gefahrgut nach Punkten: Die Anzahl bestimmt, welche Bescheinigung notwendig ist
Fahrer und Unternehmen, die gefährliche Güter befördern, unterliegen den Vorschriften der Gefahrgutverordnung (GGVSEB) und somit den Regelungen des europäischen Abkommens ADR.
Allerdings beinhalten diese auch Ausnahmen von den Vorschriften. Das ist beispielsweise bei der 1000-Punkte-Regel der Fall. Fallen Güter unter diese, kann es möglich sein, dass bestimmte Vorgaben des ADR nicht beachtet werden müssen.
Was die 1000-Punkte-Regel nach ADR genau bedeutet, wie Sie die Punkteanzahl für Ihre Güter berechnen können und welche Regelungen dann bei Kleinmengen an Gefahrgut dennoch gelten, erklären wir im nachfolgenden Ratgeber näher.
Inhaltsverzeichnis:
FAQ: 1000-Punkte-Regel
Diese Regelung im ADR ermöglicht den Transport gefährlicher Güter in geringen Mengen ohne die Kennzeichnung durch Warntafeln und ohne ausführliche Eintragungen in den Beförderungspapieren. Was bei der Beförderung weiterhin zu beachten ist, lesen Sie hier.
Jeder Stoff bzw. Gegenstand, der unter die Bestimmungen des ADR fällt, bekommt je nach Gefährlichkeit einen Faktor zugewiesen. Dieser wird mit dem Nettogewicht der Ladung multipliziert. Wo die Angaben zu den Faktoren zu finden sind, haben wir hier für Sie zusammengefasst.
Ohne ADR-Schein dürfen gefährliche Güter nur dann befördert werden, wenn sie unter den 1000 Punkten liegen. Welche Sanktionen bei einer Missachtung drohen, können Sie der Tabelle hier entnehmen.
Auszug aus dem Bußgeldkatalog zu Verstößen gegen die GGVSEB
Missachten Fahrer und/oder Unternehmen die Vorschriften des ADR und deklarieren Gefahrgut nicht als solches bzw. beachten die Schutzmaßnahmen nicht, drohen relativ hohe Sanktionen. Nachfolgend finden Sie einen Auszug aus dem entsprechenden Bußgeldkatalog:
Ordnungswidrigkeit | Bußgeld |
---|---|
Verstöße des Auftraggebers vom Absender | |
Hinweis auf das Gefahrengut unterlassen (§§ 37 I, 17 GGVSEB) | 500 € |
keine Sicherungspläne eingeführt und angewendet (§§ 37 I, 27 IV GGVSEB) | 500 € |
Verstöße des Absenders | |
vor Beauftragung der Beförderung und Übergabe nicht (rechtzeitig) geprüft, ob Gefahrgut klassifiziert ist und transportiert werden darf (§§ 37 I, 18 I Nr. 5 GGVSEB) | 1.500 € |
nicht veranlasst, dass nur zugelassene Verpackungen oder Tanks verwendet werden (§§ 37 I, 18 I Nr. 3 GGVSEB) | 800 € |
nicht veranlasst, dass Beförderungsschiff zugelassen und geeignet ist (§§ 37 I, 18 I Nr. 5 GGVSEB) | 1.500 € |
nicht für Benachrichtung der zuständigen Behörde gesorgt (§§ 37 I, 18 I Nr. 6 GGVSEB) | 800 € |
Absender im Eisenbahnverkehr sorgt nicht für Anbringung von Großzettel, orangefarbener Tafel, Kennzeichen und Rangierzettel (§§ 37 I, 18 III GGVSEB) | 500 € |
Absender im Binnenschiffverkehr versäumt Anbringung des Großzettels und der orangefarbenen Tafeln (§§ 37 I, 18 IV GGVSEB) | 500 € |
Verstöße des Beförderers | |
Eisenbahninfrastrukturunternehmer nicht (rechtzeitig) benachrichtigt (§§ 37 I, 4 II 2 GGVSEB) | 800 € |
Beförderungseinheit nicht mit Feuerlöschern ausgestattet (Weiterfahren verboten) (§§ 37 I , 19 II GGVSEB) | 500 € |
Fahrzeug nicht mit Großzettel, organgefarbener Tafel oder Kennzeichen ausgerüstet (§§ 37 I, 19 II Nr. 11 GGVSEB) | 200 - 500 € |
dem Fahrzeugführer nicht de erforderliche Ausrüstung zur Ladungssicherung übergeben (§§ 37 I, 19 II Nr. 15 GGVSEB) | 800 € |
nicht geprüft, dass Wage oder Ladung keine offensichtlichen Mängel, undichte Stellen oder Risse aufweist (§§ 37 I, 19 III Nr. 9 GGVSEB) | 1.000 € |
nicht sichergestellt, dass das Schiff zum Gefahrguttransport zugelassen (§§ 37 I, 19 IV Nr. 1 GGVSEB) | 1.500 € |
Verstöße des Empfängers | |
Rauchverbot sowie Verbot von Feuer und offenem Licht missachtet (§§ 37 I, 29 II Nr. 3 u. 4 GGVSEB) | 500 € |
Verstöße des Verladers | |
Übergabe von Gefahrgut, das nicht befördert werden darf (§§ 37 I, 21 I Nr. 1 GGVSEB) | 1.500 € |
nicht dafür Sorge getragen, dass Großzettel, Rangierzettel, orangefarbene Tafel oder Kennzeichen angebracht (§§ 37 I, 21 III Nr. 2 GGVSEB) | 500 € |
Rauchverbot sowie Verbot von Feuer und offenem Licht missachtet (§§ 37 I, 29 II Nr. 3 u. 4 GGVSEB) | 500 € |
Verstöße des Verpackers | |
Bezettelung der Umverpackungen, welche radioaktive Substanzen erhalten, nicht beachtet (§§ 37 I, 22 III Nr. 2 GGVSEB) | 500 € |
keine Einhaltung und Anwendung von Sicherungsplänen (§§ 37 I, 27 IV GGVSEB) | 500 € |
Verstöße des Befüllers | |
nicht zugelassenen Tank mit Gefahrgut befüllt oder Tank befüllt, dessen Werkstoffe gefährlich mit dem Gefahrgut reagieren (§§ 37 I, 23 I Nr. 5 GGVSEB) | 800 € |
nicht sichergestellt, dass nebeneinanderliegende Tankabteile nicht mit Stoffen befüllt werden, die gefährlich miteinander reagieren (§§ 37 I, 23 I Nr. 9 GGVSEB) | 800 € |
nicht dafür Sorge getragen, dass Großzettel, Rangierzettel, orangefarbene Tafel oder Kennzeichen angebracht (§§ 37 I, 23 II Nr. 3 GGVSEB) | 500 € |
Verstöße des Entladers | |
gefährliche Rückstände nicht (rechtzeitig) entfernt (§§ 37 I, 23a I Nr. 3 a) GGVSEB) | 500 € |
Reinigung und Entgiftung nicht sichergestellt (§§ 37 I, 23a I Nr. 4 GGVSEB) | 500 € |
Flammendurchschlagsicherung* nicht vorhanden (§§ 37 I, 23a IV Nr. 2 b) GGVSEB) [*soll Ausbreitung einer Explosion in andere Bereiche der Anlage verhindern] | 1.000 € |
Verstöße des Fahrzeugführers | |
Füllungsgrad, Masse oder Befülltemperatur nicht eingehalten, als er Tank selbst befüllt hat (§§ 37 I, 28 Nr. 3 GGVSEB) | 250 € |
Rauchverbot sowie Verbot von Feuer und offenem Licht missachtet (§§ 37 I, 29 II Nr. 3 u. 4 GGVSEB) | 250 € |
Verstöße des Reisenden im Eisenbahnverkehr | |
Mitführen oder Befördernlassen von Gefahrgut im Gepäck (§§ 37 I, 32 GGVSEB) | 500 € |
Gefahrgut: Was die 1000-Punkte-Regel per Definition bedeutet
Gefahrgut muss für einen sicheren Transport besonders verpackt und entsprechend gekennzeichnet sein. Je nachdem was für ein Stoff oder Gegenstand und wie viel von diesem befördert wird, ist zudem eine bestimmte Ausrüstung ebenfalls vorgeschrieben. Neben der Kennzeichnung am Fahrzeug und der Verpackung sind die Angaben zu den Gütern sowie ihrer genauen Menge in den notwendigen Beförderungspapieren festzuhalten. Eine Unterweisung der Fahrer bezüglich der Güter und dem richtigen Umgang mit diesen ist Pflicht.
Um diesen Aufwand der Kennzeichnung und Eintragungen zu reduzieren, wurde die 1000-Punkte-Regel im ADR definiert. Diese Regelung ist nur bei einem Gefahrguttransport auf der Straße anwendbar. Auf dem Schienen- oder Wasserweg gibt es dieses Punktesystem nicht. Die 1000-Punkte-Regel wird auch als Kleinmengenregelung bezeichnet, da sie sich auf die Menge der Güter bezieht und einen bestimmten Wert nicht überschreiten darf.
Zunächst wird die Gefährlichkeit der beförderten Güter mit einem Faktor beziffert. Hier sind die Punkte bzw. Werte von 0, 1, 3, 20 oder 50 möglich. Welcher Stoff oder Gegenstand welchen Faktor erhält, ist im ADR unter Abschnitt 1.1.3.6 definiert. Sowohl Beförderer als auch Verpacker und Verlader müssen dies vor einem Transport prüfen.
Um den genauen Punktewert einer gesamten Ladung zu ermitteln, wird bei Stoffen das Nettogewicht in Kilogramm oder die Literanzahl mit dem zugeordneten Faktor der Gefährlichkeit multipliziert. Die Punkte für die einzelnen Güter oder Verpackungseinheiten werden zusammengerechnet und ergeben die Gesamtpunktzahl der Ladung. Liegt diese unter 1000 Punkten, muss in den Beförderungspapieren lediglich die Punktezahl angegeben werden.
Bedeutung der Regel für Fahrer und Unternehmen
Für Unternehmen bedeutet die 1000-Punkte-Regel niedrigere Frachtkosten sowie weniger Aufwand bei der Planung und Durchführung von Transporten. Achten sie darauf, dass die Ladung diese Punktzahl nicht erreicht, kann bei der Fahrt auch auf spezielle Ausrüstung wie Kanalabdeckungen, Warntafel (orange), Großzettel oder Schutzbrillen verzichtet werden. Warnweste und ABC-Feuerlöscher sowie die Kennzeichnung der Verpackungen müssen jedoch weiterhin vorhanden sein.
Überschreiten Ladungen jedoch die 1000 Punkte, gilt die Regel, dass Gefahrgut durch die orangefarbene Tafel am Fahrzeug zu kennzeichnen ist. Darüber hinaus müssen Fahrer dann wieder zwingend im Besitz eines ADR-Scheins bzw. einer Schulungsbescheinigung sein und die notwendige Qualifikation nachweisen. Somit ist die Frage „wie viele Punkte gehen ohne ADR-Schein“ auch beantwortet. Allerdings sollten Fahrer von Gefahrgut im Umgang mit diesem generell geschult sein. Eine Unterweisung des Fahrers ist allerdings immer verpflichtend durchzuführen.
Folgende Freistellungen gelten, wenn die 1000-Punkte-Regel greift:
- orangefarbene Warntafel nicht notwendig
- Fahrer benötigt keine ADR-Bescheinigung
- Mitführen der schriftlichen Weisungen nicht notwendig
- Ausrüstung für den persönlichen und allgemeinen Schutz nicht notwendig
- zweiter Feuerlöscher nicht verpflichtend
- keine Anwendung eines Tunnelbeschränkungsverbots
- keine Gefahrgutbeauftragten notwendig
Wichtig ist, dass die Vorschriften für den Umgang mit Gefahrgut auch unter der 1000-Punkte-Regelung bestehen bleiben. Das heißt, die Bestimmungen zur Gefahrgutkennzeichnung (Bezettelung) an der Verpackung sowie zur Ladungssicherung und zur notwendigen Ausrüstung müssen weiterhin befolgt werden.
Gefährliche Güter werden zudem laut ADR in vier Beförderungskategorien eingeordnet. Möchten Unternehmen Güter verschiedener Kategorien in einer Beförderungseinheit transportieren, müssen Sie die Höchstmengen und den 1000-Punkte-Regel-Multiplikator für jede einzelne Kategorie beachten. Beim Beladen ist darüber hinaus auch darauf zu achten, dass bestimmte Güter nicht zusammen befördert werden dürfen, auch wenn sie unterhalb der 1000-Punkte-Regel bleiben.
Missachten Unternehmen Zusammenladungsverbote, kann das hohe Bußgelder nach sich ziehen. Das gilt auch, wenn die Höchstmengen pro Beförderungseinheit, also pro LKW (mit oder ohne Anhänger) nicht eingehalten werden. Bleiben Unternehmen zwar unter den 1000 Punkten, befördern aber zu viel von einem Stoff, kann das also ebenfalls Folgen haben.
ADR: 1000-Punkte-Regel richtig berechnen
Um die Punkte für ihre Güter richtig berechnen zu können, müssen Unternehmen bzw. Verlader und Beförderer de Faktoren für die Stoffe oder Gegenstände der Tabelle im ADR unter Abschnitt 1.1.3.6 entnehmen. Hierfür ist die sogenannten UN-Nummer von Bedeutung, da jeder Stoff oder Stoffgemisch eine eigene Nummer hat und entsprechend in eine Beförderungskategorie eingeordnet ist. Wie erwähnt, wird dann je nach Kategorie die Menge der Güter mit den Faktoren zwischen 0 und 50 multipliziert.
Nachfolgend stellen wir eine Rechnung für die 1000-Punkte-Regel als Beispiel dar:
Es soll 250 Liter Benzin befördert werden. Die UN-Nummer 1203 fällt in die Kategorie II und wird mit dem Faktor 3 multipliziert. In diesem Fall hat die Ladung eine Punktzahl von 750 und fällt somit unter die 1000-Punkte-Regel:
250 Liter x 3 = 750 Punkte
Es bleiben also noch 250 Punkte für weitere Güter, die unter die Regelungen des ADR fallen. Das kann wichtig sein, wenn Güter während einer Tour ab- und zugeladen werden. Nicht nur der Beförderer muss auf die Einhaltung der Punkte achten, auch der Fahrer ist dazu verpflichtet. Denn überschreitet die Landung die 1000 Punkte, muss der Fahrer, wie beschrieben, bestimmte Voraussetzungen für den Transport erfüllen.
1000-Punkte-Regel: Ist ein Beförderungspapier notwendig?
Gefahrgut bleibt Gefahrgut, auch wenn es unter die 1000-Punkte-Regel fällt. Eine Bescheinigung bzw. ein entsprechendes Beförderungspapier ist daher immer anzufertigen und mitzuführen. Lediglich was eingetragen werden muss, ändert sich, wenn die Güter weniger als 1000 Punkte haben.
Eine Beförderungspapier ist zudem für jede transportierte Beförderungskategorie zu erstellen und die jeweilige Punktzahl einzutragen. Zudem ist die Gesamtmenge ebenfalls anzugeben. In bestimmten Ausnahmen kann jedoch auf ein Beförderungspapier verzichtet werden. Wann das der Fall ist können Sie der Ausnahme 18 der Gefahrgut-Ausnahmeverordnung (GGAV) entnehmen.