Dieselskandal: Wann eine Entschädigung möglich ist
Letzte Aktualisierung am: 9. September 2024
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Wichtig: Am 21. März 2023 veröffentlichte der Europäische Gerichtshof ein wegweisendes Urteil zum Anspruch auf Schadensersatz von Diesel-Käufern. Dieser ist demnach auch gegeben, wenn der Händler fahrlässig beim Einbau der illegalen Software gehandelt hat.
Werden die Hersteller zur Kasse gebeten?
Seit 2015 die Manipulation von Abgaswerten aufgedeckt wurde, scheint die Automobilbranche nicht mehr zur Ruhe zu kommen. So hat der Dieselskandal das Vertrauen vieler Kunden erschüttert und zu einem erheblichen Wertverlust bei Fahrzeugen mit Dieselmotoren geführt. Gerade mit Blick auf drohende oder bereits bestehende Diesel-Fahrverbote verwundert es nicht, dass so manch ein Besitzer für sein Diesel-Fahrzeug eine Entschädigung fordert.
Doch welche Möglichkeiten haben Betroffene vom Dieselskandal, um eine Entschädigung zu erhalten? Ist dafür eine Klage notwendig? Besteht der Anspruch auf Diesel-Schadensersatz auch für Gebrauchtwagen? Und lässt für Diesel-Fahrzeuge die Entschädigung berechnen? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert der nachfolgende Ratgeber.
Inhaltsverzeichnis:
FAQ: Entschädigung beim Dieselskandal
Liegt eine Manipulation der Abgaswerte vor, ist bei Diesel-Fahrzeugen eine Entschädigung sowohl bei Gebrauchtwagen als auch bei Neuwagen grundsätzlich möglich.
Ob Sie als Diesel-Besitzer Schadensersatz erhalten, hängt unter anderem davon ab, ob entsprechende Ansprüche bereits verjährt sind. Die Frist beträgt dabei gegenüber dem Hersteller in der Regel drei Jahre, weshalb viele Betroffene vom Abgasskandal mittlerweile keine Entschädigung mehr erhalten. Mehr dazu hier.
Es lässt sich meist nicht pauschal einschätzen, ob Ihnen für Ihren Diesel eine Entschädigung zusteht. Zum Prüfen möglicher Ansprüche sollten Sie sich daher an einen Anwalt für Verkehrsrecht wenden.
Weitere Ratgeber zur Entschädigung beim Dieselskandal
Der Dieselskandal hatte massive Wertverluste der betroffenen Fahrzeuge zur Folge. Aus diesem Grund ist es nicht gerade verwunderlich, dass viele Diesel-Besitzer eine Entschädigung dafür verlangen. Ob Sie als Betroffener Schadensersatz für ihren Diesel von Audi erhalten können, lesen Sie hier. » Weiterlesen...
Probleme mit dem Diesel: Rechtfertigt der Skandal eine Entschädigung?
Um herauszufinden, ob der Dieselskandal grundsätzlich eine Entschädigung rechtfertigt, ist ein Blick in die Gesetze notwendig. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht unter § 826 den Tatbestand „sittenwidrige vorsätzliche Schädigung“ vor. Darin heißt es:
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Demnach kann ein Anspruch auf Schadensersatz grundsätzlich immer dann vorliegen, wenn es zu einer vorsätzlichen Schädigung aufgrund von sittenwidrigem Verhalten kommt. Doch wie ist dies in Bezug auf den Abgasskandal zu bewerten? Der BGH befasste sich bereits umfassend mit der Diesel-Thematik. Ein Urteil zur Entschädigung betroffener Kunden fällte das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland am 25. Mai 2020 (Az.: VI ZR 252/19) und bestätigte darin den Anspruch auf Schadensersatz beim Dieselskandal:
Der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat hat heute entschieden, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs Schadensersatzansprüche gegen VW zustehen. Er kann Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises verlangen, muss sich aber den gezogenen Nutzungsvorteil anrechnen lassen und VW das Fahrzeug zur Verfügung stellen.
Der Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen stellt demnach eine unerlaubte Manipulation dar und ist somit sittenwidrig. Dabei kann bei einem Diesel-Auto die Entschädigung grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen: als Rückerstattung des Kaufpreises oder als Schadensersatz.
Wie lässt sich für Diesel-Fahrzeuge der Schadensersatz berechnen?
Steht Ihnen als Geschädigter durch den Dieselskandal eine Entschädigung zu, können Sie einen entsprechenden Anspruch in zwei verschiedenen Formen geltend machen. Entscheiden Sie sich für die Rückerstattung des Kaufpreises, ist dabei ein Betrag für die gefahrenen Kilometer abzuziehen. Juristen sprechen in diesem Zusammenhang von sogenannten Nutzungsvorteilen. Diese sollen sicherstellen, dass die betroffenen Kunden durch den Schadensersatz nicht bessergestellt sind, als wenn der Kauf des Fahrzeugs gar nicht stattgefunden hätte.
Doch was bedeutet dies nun konkret für die Diesel vom Skandal? Um den Schadensersatz zu berechnen, der für die Nutzung zu zahlen ist, findet beim Neuwagenkauf folgende Formel Anwendung:
Kaufpreis (brutto) x gefahren Kilometer / voraussichtliche Gesamtlaufleistung
Wie beeinflussen also die gefahrenen Kilometer bei einem fiktiven Kaufpreis von 30.000 Euro und einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 km beim Diesel die Entschädigung? Die nachfolgende Tabelle verrät es Ihnen:
Gefahrene Kilometer | Nutzungsentschädigung |
---|---|
10.000 | 1.200 € |
20.000 | 2.400 € |
30.000 | 3.600 € |
40.000 | 4.800 € |
50.000 | 6.000 € |
60.000 | 7.200 € |
Anhand der beispielhaften Tabelle zeigt sich, handelt es sich bei den betroffenen Autobesitzern um Vielfahrer, kann beim Dieselskandal die Entschädigung durchaus erheblich gemindert werden. Aus diesem Grund kann es daher in solchen Fällen sinnvoll sein, das Fahrzeug weiter zu behalten und sich für eine Ausgleichszahlung zu entscheiden.
Im Februar 2020 haben sich VW und die Verbraucherzentrale auf einen Vergleich geeinigt. Das Unternehmen musste den vertretenden Kunden für ihre Diesel eine Entschädigung zahlen, ohne dass die Musterfeststellungsklage vor Gericht entschieden wurde. Je nach Fahrzeugtyp und Modelljahr belief sich der Schadensersatz dabei auf 1.350 bis 6.257 Euro. Fahrzeugbesitzer die mit diesem Vergleich nicht einverstanden waren oder sich dem Verfahren nicht angeschlossen hatten, müssen, um für ihren Diesel Schadensersatz zu erhalten, Klage einreichen und ihre Ansprüche somit individuelle durchsetzen. Pauschale Angaben zu möglichen Summen sind daher nicht möglich.
Holen Sie sich Rat vom Experten!
Um herauszufinden, welche Option sich in Ihrem Fall lohnt, ist für jeden Diesel der Schadensersatz individuell zu prüfen. Wenden Sie sich daher am besten an einen Anwalt für Verkehrsrecht, der sich intensiv mit dem Abgasskandal befasst hat. Anhand Ihrer Unterlagen kann dieser dann einschätzen, ob sich für Ihr Diesel-Fahrzeug eine Klage auf Entschädigung lohnt.
Dieselskandal: Anspruch auf Entschädigung bereits verjährt?
Wollen Sie Ansprüche aufgrund einer Rechtsverletzung geltend machen, ist dies in der Regel nur für einen begrenzten Zeitraum möglich. Ist die gesetzlich definierte Frist bereits verstrichen, also die Verjährung bereits eingetreten, können Sie als Geschädigter vom Dieselskandal keine Entschädigung mehr einklagen.
Gegenüber dem Autohändler bestehen Gewährleistungsansprüche bei Neuwagen üblicherweise für zwei Jahre und für Gebrauchtwagen für ein Jahr. Alternativ dazu können Sie bestehende Ansprüche auch gegenüber dem Hersteller geltend machen. In diesem Fall beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre.
Zu beachten ist dabei, dass diese Frist immer erst dann beginnt, wenn der Geschädigte Kenntnis darüber erhält, dass sein Fahrzeug oder der verbaute Motor vom Abgasskandal betroffen ist. Eine entsprechende Einschätzung muss also für jedes Modell bzw. jede Bauart separat erfolgen.
Wichtig! Für den Motortyp EA189 ist laut dem Urteil des BGH vom 17. Dezember 2020 (Az.: VI ZR 739/20) die Verjährung bereits eingetreten. Dies begründet sich unter anderem auch durch die umfassende Berichterstattung zum Dieselskandal, einer möglichen Entschädigung und der eingeleiteten Musterfeststellungsklage.
Quellen und weiterführende Links
- § 826 BGB - Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung
- BGH-Urteil vom 25. Mai 2020 (Az.: VI ZR 252/19)
- BGH-Urteil vom 17. Dezember 2020 (VI ZR 739/20)