Merkantiler Minderwert beim Kfz: So wird die Wertminderung berechnet
Letzte Aktualisierung am: 24. August 2024
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Merkantile Wertminderung: Eine Definition
Ein Autounfall ist für alle Beteiligten ein schlimmes Ereignis, häufig kommt es zu Verletzungen bei den Insassen und Blechschäden an den Fahrzeugen. Als ob die Verletzungen nicht schlimm genug wären, kommen häufig Streitigkeiten mit den Versicherungen dazu. Dem Laien fällt es schwer, die einzelnen Begriffe zu verstehen und auseinander zu halten.
Begriffe wie Wertminderung, Schadensregulierung und Schadensersatz werden in den Raum geworfen. Wer sich nicht auskennt, versteht nur Bahnhof und riskiert, dass er auf dem Schaden sitzen bleibt oder gar etwas zahlen muss, was eigentlich der Unfallgegner hätte zahlen müssen.
Wir wollen Abhilfe schaffen und den Begriff „merkantiler Minderwert“ erklären. Denn dieser Wert kann im Versicherungsdschungel verloren gehen und der Geschädigte erhält weniger Geld, als ihm zu steht. Deshalb gehen wir auch darauf ein, wie sich ein merkantiler Minderwert berechnen lässt.
Inhaltsverzeichnis:
FAQ: Merkantiler Minderwert
Dieser beziffert den Wertverlust, den ein Fahrzeug nach einem Unfall und trotz fachgerechter Reparaturen erfährt.
Eine pauschale Aussage dazu ist kaum möglich. Grundsätzlich fällt dieser bei Neuwagen besonders hoch aus. Ist das Fahrzeug hingegen älter als fünf Jahre, spielt der merkantile Minderwert nach einem Unfall häufig keine Rolle mehr.
Diese Form der Wertminderung können Sie ausschließlich bei der Kfz-Haftpflichtversicherung anmelden.
Ein merkantiler Minderwert ist dann gegeben, wenn ein Fahrzeug nach einem Unfall auf dem Markt einen geringeren Preis erzielt, als das gleiche, welches keinen Unfall hatte. Diese Differenz steht dem Geschädigten zu, der er gezwungen ist, durch den Unfall den Preis des Wagens zu mindern. Umgangssprachlich wird in diesem Zusammenhang auch von der Wertminderung gesprochen.
Problematisch ist bei diesem Wert, dass es sich um einen fiktiven handelt, weswegen es immer wieder zu Schwierigkeiten bei der Berechnung kommt. Ein merkantiler Minderwert setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen, wie beispielsweise dem Schadensumfang und dem Fahrzeugalter.
Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen verschiedenen Methoden bei der Berechnung. Welche Variante Anwendung findet, lässt sich nicht pauschalisieren. Problematisch an diesem Fakt ist, dass die Methoden unterschiedliche Elemente in ihre Berechnung einfließen lassen und so unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden.
Das sagen der BGH und andere Gerichte zum merkantilen Minderwert
Ein merkantiler Minderwert ist immer wieder Thema im gerichtlichen Umfeld, zuletzt beschäftigte sich das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main damit. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) veröffentliche bereits Urteile hierzu. Im Folgenden greifen wir einige Aspekte aus diesen Urteilen auf und gehen darauf ein, was diese für den Verbraucher bedeuten.
Zu altes Fahrzeug, zu hohe Laufleistung
Lange galt die Annahme, dass für einen sehr alten Wagen und einen mit hoher Laufleistung kein merkantiler Minderwert mehr verlangt werden darf. Endgültig entschieden ist dies auch bisher nicht, allerdings räumte der BHG im Jahr 2005 einem Besitzer eines Wagens mit einer Laufleistung von 150.000 Kilometern einen merkantilen Minderwert ein. 2015 entsprach das Amtsgericht Otterndorf diesem Urteil.
Wird der Unfallwagen unrepariert verkauft, steht dem Verkäufer kein merkantiler Minderwert zu – dies entschied das Landesgericht Duisburg im Jahr 2014.
Kein merkantiler Minderwert für Sonderfahrzeuge oder doch?
Der BGH stellt fest, dass auch bei Nutzfahrzeugen ein merkantiler Minderwert gegeben sein kann. In diesem Fall handelt es sich allerdings um Einzelfallentscheidungen und es kommt auf den Wert des Sonderfahrzeugs an.
So erhielt der Halter eines Luxusfahrzeugs keinen merkantilen Minderwert, obwohl der Schaden bei rund 17.000 Euro lag. Dies läge aber an dem hohen Listenpreis des Fahrzeugs, dem Schadensbild nach handelte es sich aber um einen Bagatellschaden, so die Richter.
Allerdings gilt auch, dass es keine pauschale Bagatellgrenze gibt. Im Klartext bedeutet dies: Auch bei einem Bagatellschaden kann dem Halter ein merkantiler Minderwert zustehen (LG Saarbrücken 2011).
Gerne argumentieren Versicherungen auch, dass der Unfallschaden so gering sei, dass beim Verkauf mit keinen Verlusten zu rechnen sei. Falsch ist auch, dass Vorschäden einen Minderwert ausschließen.
Der deutsche Oldtimerrechtstag hat 2009 beschlossen, dass auch bei Oldtimern ein merkantiler Minderwert zugesprochen werden kann, vor allem dann, wenn die Schäden an die historische Substanz des Oldtimers gehen.
Urteile zu den Schäden
2008 entschied der BGH, dass bei kleineren Schäden, welche beim Verkauf nicht erwähnt werden müssen und den Wagen nicht zu einem Unfallfahrzeug machen, dem Halter zumeist kein merkantiler Minderwert zusteht. Dies gilt insbesondere für oberflächliche Lackschäden, welche durch eine Lackierung behoben werden können. Eine Untergrenze, welche keine merkantile Wertminderung mehr rechtfertigt, gibt es allerdings nicht.
Was ist bei dem Verkauf eines Autos offenbarungspflichtig? Alle Schäden, welche die Beschaffenheit des Autos betreffen und zu ausgetauschten Teilen führten, müssen dem Ankäufer genannt werden.
Der Unterschied zum technischen Minderwert bei einem Kfz
Im Versicherungsrecht ist zwischen dem technischen und dem merkantilen Minderwert zu unterscheiden. Um einen technischen Minderwert handelt es sich, wenn der Wagen, auch durch fachgerechte Reparaturen, nicht in den gleichen technischen Stand versetzt werden kann, welchen er vor dem Unfall hatte.
Es ist also möglich, dass dem Halter kein technischer Minderwert zusteht, da der Wagen aus technischer Sicht nach einem Unfall wieder einwandfrei funktioniert. Dennoch kann der Halter einen merkantilen Minderwert erhalten, da der Wagen nicht für den gleichen Preis verkauft werden kann, wie vor dem Unfall.
Die merkantile Wertminderung berechnen: Diese Methoden gibt es
Es gibt fünf verschiedene Methoden, den merkantilen Minderwert zu berechnen. Das OLG Frankfurt am Main entschied 2016, dass es keine pauschale Formel für die Feststellung des Minderwertes gibt. Welche Formel zu verwenden sei, hänge von dem Einzelfall ab.
Der BHG sprach sich allerdings bereits 1979 für die Formel von Ruhkopf und Sahm aus. Der Richter müsse aber keine der Methoden anwenden und kann den Minderwert frei schätzen und festlegen, so die Richter in Frankfurt.
Halbgewachs: Die obere Grenze für die merkantile Wertminderung beim Kfz
Halbgewachs legt für die Berechnung des merkantilen Minderwertes eine Obergrenze fest und zieht folgende Faktoren in seine Berechnung (inkl. Mehrwertsteuer) mit ein:
- RK: Gesamtreparaturkosten des Fahrzeugs
- LK: Lohnkosten
- MK: Materialkosten
- NP: ehemaliger Neupreis
- M: Alter des Fahrzeugs (in Monaten)
- VW: Veräußerungswert vor dem Unfall
Halbgewachs ist allerdings der Meinung, dass dem Halter ein merkantiler Minderwert nicht zusteht, wenn der Wagen über 72 Monate alt ist, der Veräußerungswert weniger als 40 % des Neupreises umfasst und die Reparaturkosten weniger als 10% des Veräußerungswertes betragen.
Die Formel für die Berechnung sieht wie folgt aus:
→ Minderwert = X x (Veräußerungswert + Gesamtreparaturkosten) ÷ 100
X ist dabei die Summe aus dem Wertverhältnis (W), dem Kostenverhältnis (K) und dem Aufwandsverhältnis (A):
- W = 100 x Veräußerungswert ÷ Neupreis
- A = 100 x Lohnkosten ÷ Materialkosten
- K = 100 x Gesamtreparaturkosten ÷ Veräußerungswert
Marktrelevanz- und Faktorenmethode (MFM) von Zeisberg
Diese Methode beachtet sowohl rechtliche als auch technische Aspekte. Konkret bedeutet dies, dass auch Fahrzeugbesonderheiten und Marktveränderungen beachtet werden. Folgende Faktoren werden berücksichtigt:
- FV: Faktor Vorschaden
- FM: Faktor Marktgängigkeit
- SU: Schadensumfang
- AK: Alterskorrektur
- NP: Neupreis
- RK: Reparaturkosten
- VW: Veräußerungswert
Der Altersfaktor (AK) ergibt sich aus dem Alter des Wagens in Monaten und an einem nicht-linearen Kurvenverlauf abzulesen. Hierzu ein Beispiel: Ist das Auto ein halbes Jahr alt, beträgt der Faktor 0,25. Ist der Wagen 12 Monate alt, beläuft sich der Faktor auf 0.
Der Schadensumfang (SU) ergibt sich aus einer Einstufung zwischen 0,2 (Erneuerung und/oder Instandsetzung von Anbauteilen) und 1 (Erneuerung und/oder erhebliche Instandsetzung).
Der Faktor der Marktgängigkeit (FM) ergibt sich aus einem Wert zwischen 1,4 (Fahrzeug ist schwer verkäuflich) und 0,6 (Nachfrage übersteigt das Angebot).
Die Vorschäden werden über den Faktor FV mit in die Berechnung einbezogen: Hier liegt der Wert zwischen 0,2 (erheblicher Vorschaden) und 1,0 (ohne Vorschäden).
Die Berechnung erfolgt durch folgende Formel:
→ Minderwert = [(Veräußerungswert ÷ 100) + (Veräußerungswert ÷ Neupreis x Reparaturkosten x Schadensumfang x Alterskorrektur)] x FK x FV
BVSK – Methode des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen
Der Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen veröffentlichte im Jahr 2003 eine Formel, welche folgende Parameter beachtet:
- K-Faktor: Korrekturfaktor vorheriger Unfallschäden
- M-Wert: Korrekturfaktor der Marktgängigkeit
- WBW: Wiederbeschaffungswert des Wagens zum Unfallzeitpunkt
- %-Wert: Schadensintensität
Der Faktor K ergibt sich dabei aus der Zuordnung des Schadens mit einem Wert zwischen 0,5 und 1, wobei 0,5-0,8 für reparierte Vorschäden steht, 0,8 für leichte Nutzfahrzeuge gebraucht wird und 1 keine Schäden ausdrückt.
Der Wert M ist eine Prozentzahl zwischen -0-5 % (gute Marktgängigkeit) und 2 % (keine Marktgängigkeit). Die Schadensintensität (%-Wert) wird zwischen 0 % (leichte Schäden) und 8 % (z.B. Ersatz von Anbauteilen) einsortiert.
Die Formel sieht wie folgt aus:
→ Minderwert = Wiederbeschaffungswert x K-Faktor x (%-Wert + M-Wert) ÷ 100
Ruhkopf und Sahm
Der BGH zieht zumeist diese Methode heran, um den merkantilen Minderwert zu bestimmen. Die Autoren beachten folgende Punkte:
- RK: Reparaturkosten
- VW: Veräußerungswert (Zeitwert)
- NP: ehemaliger Neupreis
- M: Alter des Wagens in Monaten
Ein merkantiler Minderwert ist auszuschließen, wenn folgende Sachverhalte gegeben sind:
- Bagatellschadengrenze = Reparaturkosten ÷ Neupreis ist kleiner als 10%
- Totalschaden = Reparaturkosten ÷ Veräußerungswert ist größer als 90 %
- Wertverhältnis = Veräußerungswert ÷ Neupreis ist kleiner als 40%, dann sei die Abwertung durch das Alter zu hoch
Es ergibt sich folgende Formel:
→ Minderwert = (Veräußerungswert + Reparaturkosten) x Xr ÷ 100
Xr ergibt sich aus einem Faktor, welcher zwischen 3 und 7 liegt, je nachdem wie alt das Auto bereits ist und wie umfangreich der Schaden ist. Um den Faktor zu ermitteln wird zuvor folgende Formel bedient: 100 x RK ÷ VW. Heraus kommt ein Prozentwert, welcher in folgende Tabelle einzusortieren ist, der Faktor ist da abzulesen:
Zulassungsjahr | Prozentualer Anteil der Reparaturkosten im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert | ||
---|---|---|---|
10 - 30% | 30 - 60% | 60 - 90% | |
1. Jahr | 5% | 6% | 7% |
2. Jahr | 4% | 5% | 6% |
3./4. Jahr | 3% | 4% | 5% |
Hamburger Modell
Im Jahre 1981 entwickelte das hanseatische Oberlandesgericht eine eigene Formel, welche bis heute in dem Bundesland zur Anwendung kommt.
Um die Formel füllen zu können, werden folgende Parameter benötigt:
- Richtarbeiten: Arbeitslohn der Instandsetzung
- Karosseriearbeiten: Arbeitslohn aller Karosseriearbeiten
- Gesamtreparaturkosten
Darüber hinaus wird eine Quote benötigt, welche sich aus der Betriebsleistung des Autos ergibt. Der Wert liegt zwischen 0% (mehr als 100.000 km) und 30% (unter 20.000 km).
Die Formel gestaltet sich dann wie folgt:
→ Minderwert= (Richtarbeiten/Karosseriearbeiten) x Gesamtreparaturkosten x Quote
Bei der MFM-Methode ist die die Abstufung des AK-Faktors fehlerhaft.
“….Ist das Auto ein halbes Jahr alt, beträgt der Faktor 0,2414. Ist der Wagen 12 Monate alt, beläuft sich der Faktor auf 0.”
Richtig wäre:
“….Ist das Auto ein halbes Jahr alt, beträgt der Faktor 0,25. Ist der Wagen 120 Monate alt, beläuft sich der Faktor auf 0.”
Hallo René,
vielen Dank für Ihren Hinweis, wir haben den Fehler korrigiert.
Die Redaktion von bussgeldkatalog.org