Alleinrennen: BGH bestätigt erstmals Verurteilung wegen neuem Straftatbestand
Veröffentlichungsdatum: 18. März 2021
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Seit 2017 gelten illegale Autorennen als Straftatbestand. Der neue § 315d Strafgesetzbuch (StGB) enthält jedoch auch eine Besonderheit: Demnach sind nicht nur illegale Kraftfahrzeugrennen unter Beteiligung mehrerer Fahrer strafbar, sondern auch sogenannte “Alleinrennen”. Demnach kann auch ein Einzelfahrer wie Teilnehmer an illegalen Kraftfahrzeugrennen bestraft werden, wenn er sich “mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen” (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB). Nun hat der BGH erstmals in einem solchen Fall rechtskräftig entschieden (Aktenzeichen 4 StR 225/20).
Alle Infos zu illegalen Autorennen, haben wir im Video zusammengefasst:
Zum Hintergrund des neuen BGH-Urteils zum Alleinrennen
Im März 2019 fuhr ein damals 20-Jähriger mit einem PS-starken Mietfahrzeug mehrfach mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Stuttgarter Innenstadt. Weitere Insassen in dem Fahrzeug filmten die rasante Fahrt. Um Mitternacht herum fuhr der Fahrer dann bei einer festgestellten Geschwindigkeit von mindestens 163 km/h durch eine langgezogene Rechtskurve. Bei dem Versuch, einem plötzlich vor ihm auftauchenden querenden Fahrzeug auszuweichen, verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug. Mit einer Geschwindigkeit von mindestens 90 km/h krachte er schließlich in die Beifahrerseite eines anderen Fahrzeuges. Die beiden Insassen des Kleinwagens starben noch an der Unfallstelle an den Folgen ihrer Verletzungen.
Das Landgericht Stuttgart verurteilte den Fahrer auf Grundlage des neugeschaffenen Tatbestands. Da durch dessen Alleinrennen zwei Menschen zu Tode kamen, sah es explizit § 315d Abs. 5 StGB verwirklicht:
“Verursacht der Täter in den Fällen des Absatzes 2 durch die Tat den Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.”
Aufgrund der Anwendung des Jugendstrafrechts erhielt der Tatfahrer für das Alleinrennen mit Todesfolge insgesamt eine Jugendstrafe in Höhe von fünf Jahren. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis für vier Jahre entzogen. Ein vorsätzliches Tötungsdelikt konnte das Landgericht nicht erkennen.
Strafenkatalog zum Alleinrennen nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB
Beschreibung | Strafe | Punkte | Nebenstrafe |
---|---|---|---|
Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit, grob verkehrswidrig und rücksichtslos, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen (sog. Alleinrennen ohne Beteiligung weiterer Kraftfahrzeugführer) | Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe | 3 | Fahrerlaubnisentzug |
... Strafbarkeit des Versuchs | Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe | 3 | Fahrerlaubnisentzug |
... bei Gefährdung von Leib und Leben Dritter sowie Sachen von bedeutendem Wert | Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe | 3 | Fahrerlaubnisentzug |
... bei fahrlässig verursachter Gefährdung | a) Freiheitsstrafe von 1 bis zu 10 Jahren b) in minder schwerem Fall von 6 Monaten bis zu 5 Jahren | 3 | Fahrerlaubnisentzug |
... bei schwerer Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen bzw. Gesundheitsschädigung mehrerer Menschen | a) Freiheitsstrafe von 1 bis zu 10 Jahren b) in minder schwerem Fall von 6 Monaten bis zu 5 Jahren | 3 | Fahrerlaubnisentzug |
... bei Todesfolge | a) Freiheitsstrafe von 1 bis zu 10 Jahren b) in minder schwerem Fall von 6 Monaten bis zu 5 Jahren | 3 | Fahrerlaubnisentzug |
Warum musste der BGH über das Urteil zum Alleinrennen entscheiden?
In dem Verfahren vor dem Stuttgarter Landgericht traten die Eltern der verstorbenen Opfer als Nebenkläger auf. Nachdem das Urteil gefallen war, gingen sie in Revision. Sie wollten erreichen, dass der Beschuldigte nicht für ein Alleinrennen, sondern wegen Mordes verurteilt wird. Ähnlich dem Tatfahrer, der nach einem illegalen Kraftfahrzeugrennen mit tödlichem Ausgang in Berlin wegen Mordes rechtskräftig verurteilt wurde. Jene Tat war damals ausschlaggebend für die Einführung des neuen § 315d StGB inklusive der Strafbarkeit von Alleinrennen.
Durch die Revision stand der neue Straftatbestand des Alleinrennens vor dem BGH erstmals auf dem Prüfstand. Der Bundesgerichtshof sah die in der Revision angeführten Mutmaßungen über einen vorliegenden (bedingten) Tötungsvorsatz nicht begründet. Eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts (respektive Mord) sei daher nicht in Betracht zu ziehen. Die Begründung des Landgerichts Stuttgart sowie die Verurteilung des Tatfahrers wegen der Durchführung von einem Alleinrennen mit Todesfolge sei folgerichtig und belastbar.
Der BGH lehnte in der Folge mit Beschluss vom 17. Februar 2021 die Revision der Nebenkläger als unbegründet ab und bestätigte damit das Urteil des Landgerichts Stuttgart. Der Beschluss ist mittlerweile rechtskräftig. Damit dürfte in Zukunft eine wichtige Hürde für die Verurteilung wegen Alleinrennen genommen sein.