OLG-Beschluss: Rettungsgasse innerorts ist nicht Pflicht
Veröffentlichungsdatum: 12. Januar 2024
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Müssen Autofahrer eine Rettungsgasse auch innerorts bilden? Mit dieser Frage hat sich das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) vor kurzem beschäftigt. Im Ergebnis lehnt das Gericht eine entsprechende Pflicht zwar ab. Verkehrsteilnehmer, die Rettungskräfte behindern, müssen allerdings weiterhin mit Konsequenzen rechnen.
Bußgeld wegen fehlender Rettungsgasse
Geklagt hatte ein Autofahrer, der zunächst vom Amtsgericht (AG) Augsburg ein Bußgeld samt Fahrverbot kassiert hatte. Das Gericht warf ihm Behinderung von Polizei- und Rettungskräften vor, weil er auf einer autobahnähnlichen, innerörtlichen Bundesstraße keine Rettungsgasse gebildet hatte.
Dagegen legte der Verurteilte Rechtsbeschwerde ein. Sein Hauptargument: Aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich eindeutig, dass die Pflicht zur Bildung einer Rettungsgasse nur außerhalb geschlossener Ortschaften gelte. Wortwörtlich heißt es in §11 Abs.2 der Straßenverkehrsordnung (StVO):
“Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden, müssen diese Fahrzeuge […] eine freie Gasse bilden.”
§11 Abs.2 StVO
BayObLG: Keine Rettungsgasse innerorts notwendig
Während das AG den Beschuldigten trotzdem verurteilte, schloss sich das BayObLG den Ausführungen des Autofahrers an und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurück. Neben dem Wortlaut des §11 StVO sprechen auch Sinn und Zweck der Vorschrift für eine Beschränkung der Rettungsgassenpflicht auf Straßen außerorts:
“Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 StVO dient dazu, bei Unfällen auf der Autobahn oder Außerortsstraßen den Sicherungs- und Rettungskräften einen schnellen und möglichst sicheren Zugang zu ermöglichen. […] Innerorts und auf einspurigen Straßen wird für die Rettungs- und Polizeifahrzeuge die Fahrt regelmäßig dadurch geschaffen, dass die Fahrzeuge an den rechten Rand fahren.”
Beschluss des BayObLG, Az. 201 ObOWi 971/23
Kurzum: Eine Rettungsgasse ist innerorts wegen der schmaleren, weniger stark befahrenen Straßen nicht notwendig. Daher könne der Gesetzgeber den Autofahrern eine Pflicht dazu auch nicht auferlegen.
Behindern von Rettungskräften hat weiterhin Konsequenzen
Der Beschluss aus München bedeutet jedoch nicht, dass Autofahrer Rettungskräften innerorts gar nicht mehr entgegenkommen müssen. Das Behindern von Polizei- und Rettungsfahrzeugen bleibt weiterhin eine Ordnungswidrigkeit oder unter Umständen sogar eine Straftat, die geahndet wird.
Welche Bußgelder beispielsweise drohen, wenn trotz Pflicht keine Rettungsgasse gebildet wird, zeigt Ihnen folgende Tabelle:
Beschreibung | Bußgeld | Punkte | FahrverbotFVerbot |
---|---|---|---|
Sie bildeten auf einer Autobahn oder Außerortsstraße keine freie Gasse zur Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen, obwohl der Verkehr stockte. | 200 € | 2 | 1 Monat1 M |
... mit Behinderung | 240 € | 2 | 1 Monat1 M |
... mit Gefährdung | 280 € | 2 | 1 Monat1 M |
... mit Sachbeschädigung | 320 € | 2 | 1 Monat1 M |
Sie unterließen es, einem Einsatzfahrzeug mit blauem Blinklicht und Martinshorn sofort freie Bahn zu schaffen. | 240 € | 2 | 1 Monat1 M |
... mit Gefährdung | 280 € | 2 | 1 Monat1 M |
... mit Sachbeschädigung | 320 € | 2 | 1 Monat1 M |
Sie nutzten unberechtigt eine außerorts bei stockendem Verkehr gebildete Rettungsgasse. | 240 € | 2 | 1 Monat1 M |
... mit Behinderung | 280 € | 2 | 1 Monat1 M |
... mit Gefährdung | 300 € | 2 | 1 Monat1 M |
... mit Sachbeschädigung | 320 € | 2 | 1 Monat1 M |
Im Augsburger Fall muss das AG jetzt genauer untersuchen, ob der Fahrer wirklich gar keinen Platz gemacht oder einfach nur keine Rettungsgasse gebildet hat. Sollte ersteres der Fall sein, könnten Bußgeld und Fahrverbot bestehen bleiben.