Nutzungsausfall bei fiktiver Abrechnung: Besteht ein Anspruch darauf?
Letzte Aktualisierung am: 21. August 2024
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FAQ: Nutzungsausfall bei fiktiver Abrechnung
Die Gerichte sind sich bei dieser Frage nicht immer einig. Allerdings sprechen sich viele Urteile auch bei einer fiktiven Abrechnung für eine Nutzungsausfallentschädigung aus.
Die Entschädigung für den Nutzungsausfall können Sie in der Regel nur für den Zeitraum einfordern, der laut Gutachten für die Reparatur notwendig ist.
Ja, grundsätzlich kann Ihnen auch in diesem Fall ein Schadensersatz für den Nutzungsausfall zustehen. Allerdings wird dabei ggf. auch nur die Zeit zugrunde gelegt, die eine Werkstatt für die Reparaturen benötigt hätte.
Inhaltsverzeichnis:
Was ist eine fiktive Abrechnung?
Täglich kommt es auf deutschen Straßen zu Verkehrsunfällen. Fast immer führt dieser zu Schäden an Fahrzeugen, welche schnellst möglich behoben werden sollen. Erhält der Geschädigte die Reparaturfreigabe durch die gegnerische Versicherung, kann die Werkstatt mit der Instandsetzung beginnen. Ob der Geschädigte die Schäden an seinem Fahrzeug allerdings tatsächlich beheben lässt, ist dabei ganz allein seine Entscheidung.
Gelegentlich wird im Vorfeld entweder durch den Geschädigten selbst oder durch die Versicherung ein Gutachter bestellt. Dieser untersucht den Schaden und kalkuliert die Reparaturkosten und die Dauer. Andernfalls kann auch ein Kostenvoranschlag der Werkstatt der Versicherung vorgelegt werden, aus welcher ähnliche Posten zu ersehen sind.
Die Kosten, welche die Reparatur verursacht oder verursacht hätte, können sich die Geschädigten von der Versicherung erstatten lassen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten. Grundsätzlich wird zwischen einer fiktiv gestellten und einer konkreten Abrechnung unterschieden.
Wir erklären in diesem Ratgeber, was eine fiktive Abrechnung und was eine Nutzungsausfallentschädigung ist und ob letztere bei einer fiktiven Abrechnung erstattet werden kann.
Eine fiktive Abrechnung kommt zum Tragen, wenn nur der potentielle Schaden geltend gemacht wird und nicht der tatsächliche. Dies kann auf Gutachterbasis passieren oder durch einen Kostenvoranschlag.
Von einer fiktiven Abrechnung wird gesprochen, wenn der Geschädigte entweder das Kfz tatsächlich nicht hat reparieren lassen oder diese Reparatur für geringere Kosten, als im Vorhinein berechnet, durchgeführt wurden. Alternativ kann der Unfallwagen durch ein anderes Fahrzeug ersetzt worden sein. Ob ihm dabei tatsächlich die berechneten Reparaturkosten entstanden sind, ist irrelevant.
Nutzungsausfallentschädigung: Was ist das?
Der Geschädigten hat während der Zeit der Reparatur das Recht, einen Mietwagen zu nehmen. Die Kosten trägt die Versicherung des Unfallgegners. Benötigt der Geschädigte keinen Mietwagen und verursacht dadurch keine Kosten, kann er gegenüber der Versicherung stattdessen eine Nutzungsausfallentschädigung in Geld geltend machen. Schließlich stand ihm sein Kfz nicht zur Verfügung.
Nun besteht bei einer fiktiven Abrechnung die Option, dass der Geschädigte den Wagen eventuell überhaupt nicht hat reparieren lassen, ihm also auch konkret kein Nutzungsausfall entstanden ist.
Suchte er mit dem Unfallwagen eine Werkstatt auf, besteht die Option, dass diese den Schaden schneller beseitigen konnte, als im Gutachten oder Kostenvoranschlag anvisiert. In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob dem Betroffenen der (volle) Nutzungsausfall durch eine fiktive Abrechnung überhaupt zusteht.
Trotz fiktiver Abrechnung Nutzungsausfall erhalten: Gerichtsurteile
Bereits mehrere Gerichte haben sich mit dem Nutzungsausfall bei fiktiver Abrechnung beschäftigt. Die Urteile lassen sich grob in drei verschiedene Themenschwerpunkt aufteilen, welche wir hier nutzen, um die verschiedenen Rechtsprechungen zu gliedern.
Nutzungsausfallentschädigung bei fiktiver Abrechnung
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied im Jahr 2003, dass es nach einer fiktiven Abrechnung auf Gutachterbasis nur möglich ist, eine Nutzungsausfallentschädigung für die im Gutachten genannte Dauer der Reparaturen zu erhalten.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm konkretisiert im Jahr 2006, dass nur für die Dauer der Reparatur in einer Fachwerkstatt ein Nutzungsausfall bei fiktiver Abrechnung geltend gemacht werden kann. Das gilt auch, wenn die Schadensinstandsetzung in einer freien Werkstatt tatsächlich länger dauerte.
Weiter führte das Landgericht (LG) Saarbrücken im Jahr 2015 aus, das ein Nutzungsausfall nur für die objektiv erforderliche Dauer der Reparatur zu zahlen ist. Kommt es zu Verzögerungen, so ist hierfür kein Nutzungsausfall zu erhalten.
Für das LG Berlin stand im Jahr 1992 fest, dass ein Nutzungsausfall auch dann geltend gemacht werden kann, wenn der Geschädigte den Wagen nicht repariert, sondern ein neues Fahrzeug anschafft. Der Nutzungsausfall ist allerdings nur für die Dauer der hypothetischen Reparaturdauer zu erstatten, welche im Gutachten angegeben wurde.
Viele Gerichte sind für einen Nutzungsausfall bei fiktiver Abrechnung, allerdings sprechen sich zwischenzeitlich auch immer wieder Gerichte dagegen aus. Die Rechtsprechung ist also äußerst ambivalent und es ist daher nicht eindeutig geregelt, ob ein Nutzungsausfall bei fiktiver Abrechnung geltend gemacht werden kann oder nicht.
Das OLG Düsseldorf war im Jahr 2005 der Meinung, dass eine fiktive Abrechnung keinen Nutzungsausfall rechtfertigt. Auch das AG München sprach sich im Jahr 2010 in einem Urteil gegen einen Nutzungsausfall bei fiktiver Abrechnung aus.
Nutzungsausfallentschädigung bei eigener Reparatur
Das LG Frankfurt (Oder) entschied im Jahr 2004, dass dem Geschädigten auch ein Nutzungsausfall zusteht, wenn er seinen Wagen selbst repariert. Ein Jahr später konkretisiert das OLG Düsseldorf, dass der Nutzungsausfall nur für die notwendige Reparaturdauer geltend gemacht werden könne. Kommt es zu Verzögerungen, die Folge der eigenen Reparatur sind, so sind diese Ausfälle nicht zu entschädigen.
Das LG Aachen bemisst im Jahr 2008 die Reparaturdauer anhand der Angaben des Gutachters. Im selben Jahr entschied der BGH allerdings auch, dass der Geschädigte einen tatsächlichen Nutzungsausfall beweisen muss, um eine Entschädigung zu erhalten.
Nutzungsausfallentschädigung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden
Kommt es in Folge eines Unfalls zu einem Totalschaden, so spricht sich das AG Frankfurt am Main im Jahr 1996 für einen Nutzungsausfall für die Dauer der Wiederbeschaffung eines Kfz aus.
Das LG Kiel greift dieses Urteil im Jahr 2013 auf und hält fest, dass der Nutzungsausfall nur für die Dauer der Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Wagens verlangt werden kann.
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Rein logisch gesehen, müsste einem der Nutzungsausfall immer zustehen, egal ob fiktiv oder tatsächlich abgerechnet.
Nehmen wir uns eine fiktive Abrechnung als Beispiel:
Das Prinzip dahinter ist nämlich, dass der wirtschaftliche Schaden, der mir entstanden ist, vollständig erstattet werden muss. Das umfasst die gesamte Reparatur. Dass heißt alle Lackierarbeiten, Materialien, Arbeitskosten, Lieferung, Zeit, etc.. Dazu gehört natürlich auch ein Mietwagen oder der Nutzungsausfall für die Dauer der Reparatur. Diese Kosten fallen zu 100% immer an genauso wie alle anderen Kosten.
Wenn man nun fiktiv abrechnet, wird die Reparatur ja ausbezahlt (obwohl keine Reparatur stattfand), da sind sich alle einig. Fiktiv ist aber auch der Nutzungsausfall entstanden (wie alle anderen Kosten auch), egal ob man Repariert oder nicht, von daher muss dieser auch ausbezahlt werden.