16 StGB (Tatbestandsirrtum) – Wenn der Täter nicht weiß, was er tut
Letzte Aktualisierung am: 21. August 2024
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Der Tatbestandsirrtum im Strafrecht
Kleine Fehler und Irrtümer geschehen täglich unzählige Male und das ist auch mehr als menschlich. Immerhin kann niemand stets alles wissen und sämtliche Umstände richtig einschätzen.
Bestimmte Situationen trügen mitunter die Wahrnehmung, sodass es schnell zu Fehlvorstellungen kommt. Während jedoch eine Fehlbewertung der Wetterlage, weil beispielsweise der Wetterbericht nicht gehört wurde, maximal mit nasser Kleidung und einer Erkältung endet, können Irrtümer im Strafrecht weitaus fatalere Folgen haben.
So kann es passieren, dass ein Jäger auf einen Spaziergänger schießt, weil er ihn im Dämmerlicht für einen Hirsch hält. In einem solchen Fall handelt es um einen sogenannten Tatbestandsirrtum nach § 16 Strafgesetzbuch (StGB), der sich auf die Strafbarkeit auswirkt.
Erfahren Sie in diesem Ratgeber die wichtigsten Fakten über den § 16 StGB und dessen Unterformen, wie den Aberratio Ictus oder den Irrtum über den Kausalverlauf.
Inhaltsverzeichnis:
FAQ: Tatbestandsirrtum
Hier irrt sich der Täter über das Vorliegen von Umständen, die zu einem gesetzlichen Straftatbestand gehören. Totschlag ist beispielsweise nur strafbar, wenn der Täter einen Menschen töten – also etwa erschießen – will. Hält er diesen aber für ein Tier, so irrt er sich über dieses Tatbestandsmerkmal “anderer Mensch” und handelt demnach ohne Vorsatz.
In dem oben benannten Beispiel fehlt dem Schützen der Tötungsvorsatz, sodass er nicht wegen Totschlags bestraft werden kann. Es steht dann aber immer noch der Vorwurf der fahrlässigen Tötung im Raum.
Hier möchte der Täter z. B. Person A verletzen oder töten, verwechselt ihn aber mit B und tötet oder verletzt diesen. Hier liegt kein Tatbestandsirrtum vor. Der Täter muss sich deswegen für seine vorsätzliche Straftat vor dem Strafgericht verantworten. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er nicht vorsätzlich gehandelt hat.
Vorsatzloser Irrtum über Tatbestandsmerkmale
Vorsatz ist eines der wesentlichen Elemente hinsichtlich der Begehung im Strafrecht. Er ist eng geknüpft an ein Verwerflichkeitsempfinden, das die Tat im Gegensatz zu fahrlässigen Begehungsweisen moralisch betrachtet in besonders dunkles Licht rückt.
Allerdings gibt es auch Situationen, in denen dem Handelnden eben dieses subjektive Merkmal abzusprechen ist, weil er irrtümlich handelt. Daher existiert eine breitgefächerte und komplexe Irrtumslehre im Strafrecht, die dann auf den jeweiligen Tatbestand Anwendung findet.
Grundsätzlich ist zwischen drei Hauptgruppen zu unterscheiden:
- Irrtümer über den Tatbestand
- Fehlvorstellungen hinsichtlich der Rechtswidrigkeit (z.B. Erlaubnisirrtum)
- Trugschluss über die Schuld (z.B. Verbotsirrtum)
Laut § 16 StGB liegt ein Irrtum über Tatumstände vor, wenn der Handelnde bei der Tatausführung einen Umstand nicht kennt, der Bestandteil des gesetzlichen Tatbestandes ist. In diesem Fall ist Vorsätzlichkeit ausgeschlossen und lediglich eine Ahndung wegen fahrlässiger Tat möglich.
Der Betreffende wird von der Appell- bzw. Warnfunktion der Straftat nicht erreicht, weil er den Sinngehalt des Geschehens nicht zu erkennen vermag. Daher wirkt sich der § 16 StGB zu Gunsten des Irrenden aus, indem er milder bestraft wird.
Im Gegensatz dazu fehlt dem Handelnden bei einem Verbotsirrtum das Unrechtsbewusstsein, also die Einsicht, dass er eine Strafbarkeit begeht.
Verschiedene Formen des § 16 StGB
Neben der beschriebenen Grundform gibt es unterschiedliche Sonderfälle bzw. Abwandlungen, bei denen § 16 StGB eine Rolle spielt. Im Folgenden finden Sie eine Auflistung einiger wesentlicher Irrtumsformen auf der Tatbestandsebene.
Subsumtionsirrtum
Bei dieser Form gelangt der Täter in deskriptiver (beschreibender) Hinsicht zu einem Missverständnis, indem er die Beschreibung eines Tatbestandmerkmals falsch erfasst. Dies ist beispielweise gegeben, wenn eine Person einen Hund in der irrigen Annahme erschlägt, es handle sich dabei nicht um eine Sache.
Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale
Der Handelnde verkennt den Bedeutungsinhalt einzelner Merkmale. Dies liegt vor, wenn zum Beispiel ein Büroangestellter den Auftrag bekommt, einen Aktenstapel seines Vorgesetzten zu vernichten, ohne zu wissen, dass sich unter den Dokumenten ein wichtiger Vertrag befand.
Ist ein solcher normativer Irrtum aus der Perspektive eines Laien nachvollziehbar, werden hier die Voraussetzungen für § 16 StGB bejaht.
Irrtum über den Kausalverlauf
In diesem Zusammenhang ist ein atypischer Kausalverlauf entscheidend, welcher in folgendem Beispiel vorhanden ist: A will den B erschießen, verletzt ihn aber nur schwer. Auf der Fahrt ins Krankenhaus wird B vom Blitz getroffen und stirbt infolgedessen.
Eine solche Konstellation muss sich als wesentliche Abweichung vom angenommenen Geschehensablauf darstellen, um den § 16 StGB zu erfüllen. Befindet sich die Abweichung außerhalb der Grenzen dessen, was nach allgemeiner Lebenserfahrung vorstellbar und vorhersehbar ist, handelt der Täter hier nicht vorsätzlich.
Error in persona vel objecto
Beim Irrtum über ein Handlungsobjekt verletzt der Ausführende eine Person bzw. ein Tatobjekt, obwohl er jedoch eigentlich einen anderen Menschen/Gegenstand verletzten wollte. Es handelt sich hierbei um eine Objektverwechselung. A will den B erschießen, verwechselt diesen jedoch mit dem C.
Sind das anvisierte und das tatsächlich getroffene Objekt gleichwertig, beispielsweise beide Menschen, handelt es sich um einen Motivirrtum, der den Vorsatz unberührt lässt. Unterscheiden sich die Objekte, indem eine Sache mit einem Menschen verwechselt wird, liegt ein Tatbestandsirrtum vor. Es wird dann ein Versuch hinsichtlich des gewollten und eine Fahrlässigkeit bezüglich des verletzten Opfers geahndet.
Aberratio ictus
Hierbei geht die Tat fehl, wenn beispielsweise der A auf den B schießt, aber versehentlich den daneben stehenden C trifft. Ähnlich wie bei der Objektverwechselung liegt hier ein Versuch bei dem anvisierten und eine Fahrlässigkeit bei dem geschädigten Objekt vor.
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